47. Tag der Landesgeschichte in Mühlhausen

Gleichzeitig 27. Tag der Thüringischen Landesgeschichte

Tagungsbericht von Philipp Walter

Ich danke den Referentinnen und Referenten für die Unterstützung bei der Zusammenfassung ihrer Vorträge.

„Bauernkrieg. Aufruhr in den deutschen Landen“

Eröffnung, 25. September

Der „Tag der Thüringischen Landesgeschichte“, der alljährlich durch die „Historische Kommission für Thüringen“ und den „Verein für Thüringische Geschichte“ veranstaltet wird, fand vom 25.–27. September 2020 im Rahmen des deutschlandweiten 47. Tags der Landesgeschichte in Mühlhausen statt. In enger thematischer Verknüpfung mit dem Veranstaltungsort widmete sich die Tagung Ursachen, Verlauf und Rezeption des Bauernkriegs in den deutschen Landen. Im Bauernkriegsmuseum Kornmarktkirche kamen bis zu 150 Geschichtsinteressierte, Historiker und Vereinsvertreter zusammen. Mit den Grußworten von Dr. Johannes Bruns, Oberbürgermeister der Stadt Mühlhausen, Dr. Johannes Mötsch, Vorsitzender des Gesamtvereins der deutschen Geschichts- und Altertumsverein e. V., Dipl.-Kfm. Andreas Lesser, Vorstand und Gründer der Friedrich-Christian-Lesser-Stiftung, und Bodo Ramelow, Ministerpräsident des Freistaats Thüringen, wurde die Veranstaltung am Abend des 25. September eröffnet. Daran schloss sich die Verleihung des mit 2.500 € dotierten Forschungspreises des Gesamtvereins der deutschen Geschichts- und Altertumsvereine e. V. an. Ausgezeichnet wurde Dr. Martin Sladeczek für seine Jenaer Dissertation „Vorreformation und Reformation auf dem Land in Thüringen. Strukturen – Kirchenbau – Stiftungswesen – Kirchenausstattung“ (Köln/Weimar/Wien 2018).

Den anschließenden, vom Direktor der Mühlhäuser Museen, Dr. Thomas T. Müller, moderierten Abendvortrag hielt Prof. Dr. Helmut Flachenecker zum Thema „Bauernkrieg in Franken“. Der Würzburger Historiker ging dabei von der Prämisse aus, dass der Bauernkrieg Geschichtslandschaften wie Thüringen und Franken sehr stark verändert hat. Beide hätten sich sowohl in politisch-administrativer als auch wirtschaftlich-sozialer Hinsicht durch eine starke Zergliederung und Differenzierung ausgezeichnet. Flachenecker machte deutlich, dass für die Anhänger der Fürsten der Aufstand eindeutig vfrur oder Entborung war und der Kampf um die argumentative Deutungshoheit eine entscheidende Rolle gespielt hat. Die Aufrührer hätten mit einem neuen Herrschaftsverständnis gekontert, das auf der Basis der Nächstenliebe (‚brüderliche Liebe‘) nicht grundsätzlich gegen die göttlich legitimierte Obrigkeit gerichtet gewesen sei, sondern Missstände, an denen Christen zu leiden hatten, beseitigen wollte. Eine ritualisierte Konfliktlösung kannte das Verfahren des gewaltlosen Austrags. Erst wenn dieser scheiterte, sollte es zu gewaltsamen Maßnahmen kommen. Die christliche Metapher für ein solches Vorgehen finden die Aufständischen im Exodus des Alten Testaments: Der Auszug der Israeliten aus der Knechtschaft des Pharaos wird mit der geknechteten Situation der Aufständischen in Parallelität gesetzt. Im Hochstift Würzburg hätten sich sechs Bauernhaufen gebildet (Aub, Bildhausen, Aura, Frauenroth, Hausen, Heidenfeld), die kaum zu den thüringischen Bauern in Verbindung getreten wären. Die entscheidende Auseinandersetzung wurde um den von den bischöflichen Truppen gehaltenen Marienberg über der Stadt Würzburg geführt, dessen Besitz auch die Herrschaft im gesamten Hochstift versprach. Bauern, Kleinbürger und Ritteradel verloren diese Auseinandersetzung, woraufhin der Bischof alte Freiheiten seiner Landstädte kassiert und neue, seine Stellung als Fürsten betonende Ordnungen erlassen hätte. Die entschiedensten Maßnahmen hätten die stiftischen Untertanen betroffen, denen dörfliche Sonderrechte verboten wurden. Flachenecker bilanzierte schließlich, dass die Ideen der Bauern für eine gerechtere, reformierte Gesellschaft eine unerfüllte Utopie blieben.

Dr. Helge Wittmann, Vorsitzender des Mühlhäuser Geschichts- und Denkmalpflegevereins e. V., formulierte Dankesworte und leitete in den durch die Stadt Mühlhausen ausgerichteten Empfang über, der zugleich den Abschluss des ersten Tages bildete.

Samstag, 26. September

Sektion I

(Moderation: Prof. Dr. Uwe Schirmer, Jena)

Dr. Thomas T. Müller (Mühlhausen): Der Deutsche Bauernkrieg. Ereignis, Rezeption und Desiderate

Thomas T. Müller machte deutlich, dass der Bauernkrieg in Deutschland der erste Aufstand war, an dessen Ausbreitung die mediale Revolution des Buchdrucks mit beweglichen Lettern einen entscheidenden Anteil hatte. Die Unruhen sorgten, nachdem deren Ausmaße für sie immer bedrohlicher wurden, für eine regelrechte Konfusion unter den Herrschenden. Dabei sei es gleichgültig gewesen, so Müller, ob diese nun altgläubig oder evangelisch waren. Denn für die Aufständischen machte es kaum einen Unterschied, ob ihre Herrschaft sich kirchlich nach Rom oder nach Wittenberg orientierte. Alles schien im Umbruch zu sein. Nicht wenige wähnten bereits das Jüngste Gericht am Horizont aufleuchten. Es wurden Klöster, Burgen und Schlösser geplündert, Städte ergaben sich oder schlossen sich gleich freiwillig an. Der Adel zog sich auf wenige, sehr gut befestigte Burgen zurück, sortierte sich und wartete ab, bevor er zum blutigen Gegenangriff anhob.

Thomas T. Müller betonte nachdrücklich, dass es sich – wenngleich die Abläufe vielerorts fast identisch waren – beim deutschen Bauernkrieg dennoch keineswegs um eine homogene, zentral gesteuerte Revolution gehandelt hätte. Die unter der Bezeichnung „Bauernkrieg“ lediglich subsummierten Unruhen und Aufstände waren nichts anderes als die Kulmination von im Regelfall äußerst heterogenen Interessenlagen höchst unterschiedlicher Akteure mit teils deutlich voneinander abweichenden Zielen. Dies vorausgesetzt, erscheint es Müller vor einer Neubewertung des Deutschen Bauernkrieges notwendig, in ausführlichen Untersuchungen zur Forschungs- und Rezeptionsgeschichte der Aufstände zu ermitteln, auf welcher (quellenfundierten, aber auch ideologischen) Basis die einzelnen Berichte und Abhandlungen gründen und vor welchem Hintergrund bzw. mit welcher Motivation sie entstanden sind. Erste Ansätze hierzu wollte der Beitrag aufzeigen.

Dr. Martin Sladeczek (Erfurt/Jena): Das Ende der alten Abteien. Thüringische Benediktinerklöster im Bauernkrieg

Martin Sladeczek ging in seinem Vortrag der Frage nach, ob die Benediktinerklöster ein herausgehobenes Ziel des bäuerlichen Hasses und von Plünderungen im Bauernkrieg gewesen sind. Ausgehend von den spätmittelalterlichen Reformbemühungen an den thüringischen Benediktinerklöstern Reinhardsbrunn, Homburg, Oldisleben, Paulinzella und Bürgel wurde der überwiegend gute geistliche, ökonomische und bauliche Zustand der Klöster um 1500 beschrieben. Vor diesem Hintergrund fragte Sladeczek, welche Auswirkungen die frühe Reformation auf die Klöster hatte. Dabei konstatierte er, dass es zwar zu Zinsverweigerungen und Ausbrüchen von „Pfaffenhass“ gekommen wäre, dass sich aber wenige Hinweise auf einen generellen Verfall und Niedergang des klösterlichen Lebens finden lassen. Mit Blick auf die Bauernkriegsereignisse und das spätere Schicksal vieler Klöster wies der Referent auf die bisher in der Forschung zu wenig beachteten Klosterinventare aus den Bauernkriegswochen hin, die auch ausgezeichnete Quellen für spätmittelalterliche Klostergeschichte wären. Ferner müsste die Rolle des Landesherrn beim Einzug der Güter genauer untersucht und bewertet werden.

Anschließend skizzierte Sladeczek den Verlauf der Klosterstürme, die zielgerichtet und z. T. zerstörerisch ausgefallen, aber meist der Höhepunkt der Züge einzelner Haufen des Bauernkrieges gewesen wären. Die Tatsache, dass sich die Haufen nach den Klosterstürmen auflösten, lässt ihn vermuten, dass die Klöster womöglich das einzige Ziel dieser Bauern gewesen sein könnten. Mit Blick auf die Folgen in mittelbarer Perspektive machte er deutlich, dass die Klöster je nach Herrschaft direkt 1525 oder mit der jeweils ersten Visitation säkularisiert und sequestriert wurden. Im ernestinischen Gebiet hätte der Bauernkrieg ein zielgerichtetes Auflösen der nun leerstehenden Klöster ermöglicht. Zusammenfassend kam Martin Sladeczek zu dem Schluss, dass die Benediktinerklöster erster Anlaufpunkt für regionale Haufen gewesen sind und dass dafür neben Versorgungsaspekten v. a. der Umstand ausschlaggebend gewesen wäre, dass viele Bauern in einem direkten Dienst- und/oder Abgabenverhältnis zu diesen gestanden hätten.

Sektion II

(Moderation: Dr. Helge Wittmann, Mühlhausen)

Dr. Janis Witowski (Schleusingen): „Das getan oder totgeschlagen.“ Der Werrahaufen als ein Akteur im Bauernkrieg

Zu den vielen, meist unabhängig voneinander agierenden Verbänden im Bauernkrieg gehörte für kurze Zeit auch der sogenannte Werrahaufen, dem sich der Vortrag Janis Witowskis widmete. Am 21. April 1525 nahe der Stadt Vacha entstanden, zog er durch das Werratal über Lengsfeld, Salzungen und Schmalkalden bis nach Meiningen. Sein Ziel war es, die Bewohner der Städte und Dörfer, aber auch den lokalen Adel dazu zu bewegen, die Zwölf Artikel der Memminger Bauern anzunehmen und eine Gesellschaft nach Vorgabe der Evangelien zu errichten. Der wohl größte Erfolg gelang den Werrabauern am 3. Mai, als sie den hennebergischen Landesherrn Wilhelm VI. von Henneberg-Schleusingen dazu brachten, sich ihrer Sache vertraglich anzuschließen.

Nach dem formellen Anschluss des gefürsteten Grafen von Henneberg kehrten viele der 5.–8.000 Teilnehmer des Werrahaufens nach Hause zurück. Der Rest marschierte mit seinem Hauptmann Hans Sippel nach Norden, um sich den thüringischen Bauernverbänden um Thomas Müntzer anzuschließen. Doch dazu kam es nicht mehr, in Eisenach löste sich der Werrahaufen auf: Unter falschem Vorwand in die Stadt gelockt wurden die Anführer der Bauern gefangengenommen und später an den Landgrafen von Hessen ausgeliefert, der sie verhören und hinrichten ließ. Die übrigen Werrabauern hätten die Flucht ergriffen. Wilhelm VI. distanzierte sich von den Bauern und rechtfertigte seinen kurzzeitigen Anschluss mit der lebensbedrohlichen Zwangslage, in der er sich befunden habe. Seinen eigenen Untertanen begegnete er nachher mit allergrößtem Misstrauen.

Dr. Julia Mandry (Mühlhausen): Der Bauernkrieg und die Harzgrafen von Honstein und zu Stolberg

Julia Mandry stellte ihren Ausführungen die Feststellung voran, dass die Auseinandersetzungen des Bauernkrieges insbesondere die bestehenden Machtverhältnisse und Herrschaftsbefugnisse in den betroffenen Territorien in Frage gestellt hätten. Durch die bäuerlichen Forderungen wurden die Herrschaftsträger in ihren Rechten bedroht, von den Unruhen materiell und persönlich getroffen und ihr Handeln auch einer religiösen Prüfung unterzogen. Insbesondere den dezentralen Akteuren und ihren Reaktionen sei bislang nur geringe Aufmerksamkeit in der Forschung geschenkt worden, so Julia Mandy. Vor diesem Hintergrund beleuchtete der Vortrag nunmehr das Verhalten der Grafen von Honstein und zu Stolberg. Diese Grafen, insbesondere Graf Ernst V. von Honstein, Graf Botho III. zu Stolberg und dessen Sohn Wolfgang, wählten keinen geradlinigen Weg durch die Wirren des Bauernkrieges. Ihr Verhalten stand mit der Einwilligung in die Forderungsartikel der Bauern oder gar möglichen tatkräftigen Unterstützung im Kontrast zum Agieren ihres albertinischen Lehnsherrn Herzog Georgs von Sachsen. Mandry betonte, dass der gräfliche Anschluss an das bäuerliche Lager in seinen Motiven scharf hinterfragt wurde und auf den Unmut des mutmaßlich hintergangenen Lehnsherrn gestoßen sei. Handelten die Grafen aus Zwang oder Kalkül und wie argumentierten sie nach der Niederschlagung des Aufruhrs? Mandrys Analyse macht deutlich, dass Besitz- und Machtwunsch bei allen Beteiligten, wenngleich in unterschiedlichen Gewichtungen, als die maßgeblichen Triebfedern für die getroffenen Entscheidungen und ergriffenen Strategien nicht von der Hand zu weisen sind. Das argumentative Kräftemessen sei letztlich ohne wahrnehmbare Folgen zugunsten eines friedlichen Status quo beigelegt worden.

Sektion III

(Moderation: Dr. Johannes Mötsch, Meiningen)

Prof. Dr. Johannes Wolfart (Ottawa/CAN): Haarscharf daneben? Die Reichsstadt Lindau und der Bauernkrieg – Wiederbewertung im Sinne der Mikrogeschichte

Ausgehend von dem Fazit der älteren Forschung, dass aufgrund mangelnder anderslautender Quellenbelege der Bauernkrieg in Lindau am Bodensee ruhig verlaufen sein muss, obwohl im nächsten Umfeld der Insel zahlreiche gewaltsame Ereignisse dokumentiert sind, fragte Johannes Wolfart, ob sich diese Bewertung auch bei genauerem Hinsehen aufrecht erhalten lässt.

Die zahlreichen Urkunden, Rechtsakten, Protokolle, Briefwechsel, chronikalischen Aufzeichnungen usw., welche den Kern des Lindauer Quellenmaterials ausmachen, entsprangen den vielseitig verstrickten Beziehungen des Lindauer Rats zu anderen „Teilhaberpersonen“ des Lindauer Siedlungs- und Einflussbereichs. Wolfart konstatierte in diesem Zusammenhang, dass in dieser Rand- oder Übergangszone einer ohnehin markant „zersplitterten“ (Elmar Kuhn) Region die Quellen ganz besonders fragmentarisch wären. Eine „inhärente Inkohärenz“ der politischen, sozialen und kulturellen Bedingungen würde sich auch in formellen Aspekten der Quellenlage niederschlagen. Dass aus einem Blick auf das Lückenhafte ein Blick durch die Lücken in eine vermeintliche Leere geworden ist, hält Wolfart für verständlich, sei aber dennoch falsch.

Eine erzählend-exegetische Geschichtsschreibung würde bei der besonders fragmentierten Lindauer Quellenlage schnell an Grenzen gelangen. Wolfart entwickelt daher die Frage, ob man nicht stattdessen auf Repräsentationsformen zurückgreifen könnte, welche der Schreib- und Sammelkultur – und nicht zuletzt der Erinnerungskultur – der frühen Neuzeit näher kommen würden. Damit sei insbesondere die unterschätzte Quellengattung der Liste gemeint, wohl bekannt in der Überlieferung von Beschwerde-, Amtshalter-, Straftäter- oder Unterschriftslisten sowie Buch- und Objektinventaren; und nicht zuletzt auch chronikalische Denkwürdigkeitslisten. Aus den Lindauer Quellen ließe sich durchaus eine Liste zusammenstellen, welche die Rolle von Lindauer Bürgern, Untertanen, Geistlichen usw. im Bauernkrieg deutlich erkennen lässt und dies sei, so Wolfart resümierend, mehr als „Nichts“.

Dr. Ulrich Hussong (Marburg): Duderstadt im Bauernkrieg

Am 4. und 5. Mai 1525 weilte ein Bauernhaufen nur wenige Stunden vor Duderstadt. Zwar hätten sich der Bürgermeister und einige Ratsherren zum bäuerlichen Lager begeben, doch sei es zu keinem Einlass in die Stadt gekommen. Ebenso wenig ist von Unterstützungsleistungen bekannt; lediglich drei Personen des Zuges können Duderstadt zugeordnet werden. Dessen ungeachtet fertigte Herzog Heinrich von Braunschweig am 2. Juni 1525 im Auftrag des Kardinals Albrecht eine Verschreibungsurkunde aus. Darin werden die Bewohner Duderstadts beschuldigt, Gotteshäuser, Klöster, Klosterhöfe gestürmt und geplündert zu haben. Allerdings gab es in Duderstadt keine Klöster und ebenso ist auch nichts über Zerstörungen der Kirchen bekannt; Kleinodien auswärtiger Klöster wurden später unversehrt zurückgegeben. Die Ausfertigung dieser Verschreibungsurkunde liegt im Hessischen Staatsarchiv Marburg. Das Stück war 1595 in Prozessangelegenheiten an den landgräflichen Hof ausgeliehen und nie zurückgegeben worden.

Als Konsequenz der ihnen zugeschriebenen Vergehen hätten die Duderstädter fünf der 16 abhängigen Dörfer mit allen Diensten und Zinszahlungen dem Erzbischof abtreten müssen. Ebenso musste der Schultheiß in den Rat aufgenommen werden, der von nun an als obrigkeitlicher „Aufpasser“ fungierte. Ein knappes Jahr später erließ Kardinal Albrecht eine Ordnung für die Stadt, die wichtige Punkte der Verschreibungsurkunde wiederholt. Ulrich Hussong konstatierte, dass die Verschreibungsurkunde vom Kaiserreich bis zur DDR als eine Beschreibung historischer Tatsachen gedeutet wurde, was sie nicht gewesen sei. Sie war, so sein Fazit, eine interessengebundene Interpretation der Geschehnisse, die obrigkeitliche Maßnahmen legitimierte.

Sektion IV

(Moderation: Dr. Alexander Krünes, Gotha)

Dr. Stefan Heinz (Zemmer-Rodt): Denkmäler der Deutungshoheit: Der Bauernkrieg am Mittelrhein im Spiegel von Kunst und Inschriften

In der sogenannten Erinnerungskultur hat der Bauernkrieg durch mehrere Denkmäler der letzten Jahrzehnte eine gewisse Nachhaltigkeit entfalten können. Ausgehend von dieser Feststellung ging Stefan Heinz der Frage nach, wie die Zeitgenossen, besonders die Sieger, die Vorgänge dokumentierten und interpretierten? Der Vortrag beleuchtete anhand des 1526 errichteten Mainzer Marktbrunnens diejenigen Denkmäler, die im direkten Fahrwasser der Ereignisse entstanden sind. Neben Dürers Bauernsäule würde der von Kardinal Albrecht von Brandenburg errichtete Marktbrunnen das unmittelbarste künstlerische Zeugnis der Begebenheiten darstellen. Im Hinblick auf seine außergewöhnliche Bildsprache betonte Heinz indes, dass der Bezug zum Bauernkrieg zwar immanent bleibt, dass dies jedoch nicht die einzige Aussage sei, die dieses frühneuzeitliche Denkmal vermitteln soll. Hier würde sich ein Blick auf die lateinischen Inschriften des Brunnens lohnen, welche die Errichtung über zwei wichtige Ereignisse datieren (den Bauernkrieg und die Schlacht von Pavia). Im Vergleich mit anderen Inschriften der späteren 1520er Jahre zeige sich, dass ähnliche Aussagen an mehreren Orten mit unterschiedlichen Ansprüchen und Intentionen zu finden sind. Resümierend hält Heinz fest, dass der Mainzer Brunnen in der Gesamtheit somit ein Denkmal für die (wieder) funktionierende gesellschaftliche Ordnung nach dem Aufruhr darstellt. Eine dritte – deutsche – Inschrift mit dem Satz „O Bedenck das End“ würde darauf verweisen, diese gottgewollte Ordnung nie wieder in Frage zu stellen.

Prof. Dr. Wolfgang Wüst (Erlangen): Bauernkrieg und Kommunikation – die Krise von 1525 als Chance für Innovation und Reform in süddeutschen Reichsstädten

Wolfgang Wüsts Blick in die reichsstädtische Korrespondenz während der Bauernunruhen zeigte eine andere, vielfach unterschätzte Seite frühmodernen Fehde- und Kriegswesens. Kriege und regionale Aufstände hätten zweifellos unheilvolle Auswirkungen für die betroffenen stadtnahen Regionen gezeitigt. Armut und menschliches Leid, finanzielles Risiko für viele, Gewinne für wenige und das Ende freier Handelswege, Raub, Mord und Totschlag, Fehde, Unfriede und Brandschatzung, Kriegszug und Erntevernichtung waren einige der Schattenseiten der Kriegsjahre 1524/25. Wolfgang Wüst konnte indes deutlich machen, dass dennoch gesellschaftliche Bereiche existierten, in denen Krieg – in zeitlicher Parallele zum Prozess der Staatenbildung einerseits oder zur Kommunalisierung andererseits – modernisierende Anstöße gab. Sie sollten nicht nur für die Kanzleiführung zukunftsweisend sein. Die Kommunikationsnetze in der Städtelandschaft waren einer der Bereiche gewesen, die in der Zwangslage des Bauernkriegs inklusive der Zeit unmittelbar vor und nach den Aufständen förmlich explodierten. Krieg und Fehde hätten im Nachrichtenwesen eher für Modernität als für Destruktion und Verlust gestanden. Urbane Kommunikationsformen näherten sich in der Not an, so dass die Reichsstädte für das sich entwickelnde Reichspostsystem sowohl in Kriegs- als auch in Friedenszeiten im 15. und 16. Jahrhundert ihre Schlüsselrolle wahrten. 

Sonntag, 27. September

Exkursion

Zur Abrundung der Veranstaltung bestand am Sonntag, dem 27. September, die Möglichkeit zur Teilnahme an einer Exkursion in das Panorama Museum Bad Frankenhausen. Dort erfolgte eine thematische Führung zum Monumentalgemälde „Frühbürgerliche Revolution in Deutschland“ von Werner Tübke mit einem anregenden Austausch zu den verwendeten historischen Bildmotiven. Im Anschluss und zum Ausklang der Tagung wurde Raum geschaffen, sich weiter eigenständig oder im gemeinsamen Gespräch in das Gemälde zu vertiefen.

Es ist vorgesehen, die Ergebnisse der Tagung in den Blättern für deutsche Landesgeschichte, Bd. 157, zu veröffentlichen.

25.–27. September 2020

Bauernkriegsmuseum Kornmarktkirche, Mühlhausen

Veranstalter

Impressionen

Das Thema des 47. Tags der Landesgeschichte lautete: "Bauernkrieg. Aufruhr in den deutschen Landen." Im Jahr 2020 mit pandemiebedingt großen Sitzabständen und einem virtuellem Vortrag. [Bild: Julia Mandry]
Dr. Mötsch, 1. Vorsitzender des Gesamtvereins, auf dem 47. Tag der Landesgeschichte in Mühlhausen. [Bild: Julia Mandry]